Zeit für Erinnerungen. Rückblicke auf die stressigen Momente in der Nordsee, den Sturm, den Regen, die Kälte. Miteinander erlebte Situationen, zusammen bewältigte Aufgaben und gemeinsam Überstandenes. Die Anspannung, die Anstrengung und die Aufregung.
Zum Beginn der Reise ist Treffpunkt im kleinen Yachthafen Seestermühe an der Krückaumündung nördlich von Hamburg. Schlechtes Wetter ist vorhergesagt. Um morgen tidenunabhängig früh auslaufen zu können, verlegen wir unser Schiff noch rasch in den Hafen von Glückstadt. Heinz trifft die Crew erst in der „Logger-Kombüse“ bei Matjes und Bier. Der Schiffsarzt hatte vom Bodensee die längste Anreise.
Zum Überführungstörn nach Lissabon ist ein bunter Haufen zusammengekommen.
Paul, der IT-ler aus Hamburg, hat die Geschäftsführung 3 Monate einer Kollegin übertragen. Er segelt mit dem „Peter von Seestermühe“ bis in die Karibik. Philip aus Oslo hat als Bootsmann auf dem 1936 in Danzig gebauten Zweimaster angeheuert. Mindestens bis zu den Kanaren. Jochen gönnt sich 6 Wochen Auszeit von seiner Kanzlei in Frankfurt. Dort erwartet Henning bereits in 2 Wochen wieder sein Schreibtisch bei einer Bank. Er heuert in Baiona ab. Auch Frieder aus Wuppertal kann seine Schreinerei nicht länger allein lassen. Pensionär Maarten hat Zeit. Der Amsterdamer freut sich auf die dreiwöchige Seereise nach Portugal.
Beim Ablegen drängt Christoph zur Eile. Noch vor Aufkommen des Schlechtwetters will er die Elbmündung verlassen und möglichst bald raus aus der Deutschen Bucht. „Wir haben keine Kaffeefahrt vor uns“, seine Ansage.
Wiederholer tun sich leichter bei der Arbeit an Deck. Jochen war bereits im Sommer als Kojencharterer auf Törn nach Bergen an Bord.
Frieder fährt seit 20 Jahren regelmäßig auf dem von allen nur liebevoll „Peter“ genannten Stahlschiff. Er führt Wache 1 an. Es heißt anpacken. Denn „wir sind ja nicht auf Kaffeefahrt“. Jeder muss sich einbringen – nicht nur an Deck sondern auch bei der Backschaft. Immer zwei Mann sind verantwortlich, dass auch unter Deck der Laden läuft. „Gute Verpflegung und frisches Essen sind ein hohes Gut“, ist das Credo des Chefs.
Als es heller wird, passieren wir die Atomkraftwerke von Brokdorf und Brunsbüttel. Keine Idylle. Sondern Realität.
Die Realität an Bord wird auch bald klar. „Wo kommt denn die Fähre da drüben her?“ „Vom anderen Ufer!“. Norddeutscher Wortwitz. Bordsprache: Gerade heraus. Unseren Skipper eint mit Minister Habeck nur die schleswig-holsteinische Herkunft. Ansonsten gilt: klar, verbindlich und entschieden.
Der Wind steht günstig. Zeit, die Segel zu setzen. Die Novizen an Bord zaudern. Alles funktioniert tadellos. Nur. Wie? Die achtmal umgelenkte Großschot wird aus der Hand gefahren und vor dem Kartenhaus an Deck belegt. Der Klüver wird mit Stagreitern am Vorstag angeschlagen. Ober- und Unterbackstagen wollen bedient werden. Das bedarf der Übung oder ein wenig Geduld. Das Kommando „Klüver auf!“ ist noch nicht verhallt, da erschallt vom Ruder der Ruf: „Heute noch!“. Das Motto des Tages: „Wir machen hier Seefahrt!“.
Das weitere Teambuilding umfasst die Einweisung in Rettungsmittel, Navigation und Kommunikation sowie Verhalten im Notfall. Wichtig und mit viel Geduld vom Skipper erläutert. Das gibt Sicherheit. Ein gutes Gefühl. Das braucht es jetzt auch. Denn gegen Abend frischt der Wind auf. Wir laufen hoch am Wind vor Langeoog, als die Vorbereitungen auf eine stürmische Nacht beginnen. Das Trysegel wird vorbereitet, das Dinghi fest verlascht, das kleinere Vorsegel gehisst.
Im gemütlichen Salon servieren Frieder und Jochen das Dinner. Frisch zubereitet und schmackhaft. Es gilt, Kräfte für die erste Nacht off-shore zu sammeln. Die wird kalt und nass. Wir segeln an der Windkante. Dauerregen und immer wieder über den flachen Bug überkommende Welle machen die erste Wache zur Prüfung. Frieder holt nach der Wende bis zum Knie im Wasser stehend die Klüverschot dicht. Knochenarbeit. Sehnsucht nach dem Wachwechsel um Mitternacht. Erschöpft zieht sich Wache 1 zur Ruhe in die engen Kojen zurück. Es bleiben nicht einmal 4 Stunden zur Erholung. Die kurzen, unberechenbaren Wellen der flachen Nordsee schütteln die Crew ordentlich durch.
Bei starker Schräglage stören etliche Stürze das An- und Auskleiden zum Wachwechsel um 04.00 h. An- und Ablegen des durchnässten Schwerwetterzeugs dauern lange. Es wird mühsam.
Frieder hält seine Wache zusammen. Im Dauerregen erzählt er von seinen Erlebnissen auf „dem Peter“. 12 Beaufort in der Biscaya hat er vor Jahren mit Christoph als souveränem und umsichtigem Skipper erlebt. Das verbindet. Und macht uns Neuen Mut. Ingwertee und ein Riegel Schokolade helfen durch die dunkle Nacht. Keine Zeit für Fotos von brodelnder See, stampfendem Schiff und leidenden Kameraden. Jetzt ist Segeln. Segeln am Anschlag.
„Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Hier bekomme ich den Kopf frei. Schon als Junge habe ich davon geträumt.“ Während das Schiff durch die raue See stampft, erzählt Frieder, wie er sich als Jugendlicher auf englischen Traditionsseglern „den Schliff“ geholt hat. Die Fähigkeit, auch bei widrigsten Bedingungen auf dem Meer zu bestehen. Das kann er. Und das gilt es jetzt auch. Um 08.00 h in der Früh übernimmt Henning mit Wache 2. Die Nordsee tobt weiter.
Als Christoph von Reibnitz 1991 den „Peter“ vom Akademischen Seglerverein Kiel übernahm, hatte das Schiff bereits mehrere Weltumrundungen hinter sich, war aber in miserablem Zustand. Der damals 25-jährige Eigner machte die Yacht durch liebevolle und aufwendige Umbauten zu einem verlässlichen Schiff mit Stil und bescheidenem Komfort.
Unser Skipper ist parat, wenn er gebraucht wird. Schwierige Manöver begleitet er umsichtig, gibt klare Anweisungen, unterstützt wenn erforderlich. Und er denkt voraus, hat das Wetter im Blick – und ein Auge auf seine Crew. Als der Doktor wegen Seekrankheit ausfällt, lässt er ihn ruhen.
„Es war, als hätte man mir den Stecker gezogen. Keine Kraft mehr. Keine Energie. Müdigkeit. Nicht einmal so sehr Übelkeit. Nur große Leere“, berichtet Heinz bei der Meldung zum Dienst nach zwei verpassten Wachen.
Henning bringt Salzstangen. Das hilft. Den Blick auf den Horizont gerichtet hört Heinz seinen Wohltäter von eigenen Erfahrungen mit der Seekrankheit berichten. „Gehört wohl irgendwie dazu“, meint auch Frieder. Der alte Fahrensmann wird erst seit einigen Jahren meist zu Beginn seiner Törns vom Elend gepackt. „Ich hatte am Anfang auch schwer zu kämpfen. Das gibt sich nach ein paar Tagen wieder. Jetzt ist gut. Und dann ist für den Rest der Reise das Thema auch durch“, spendet er Trost. „Übernimm nach dem Wachwechsel das Steuer!“, ist sein Rat. Ein guter Tipp.
Konzentration ist gefordert, als die ersten Windräder von East Anglia ONE vor der südostenglischen Küste näherkommen. Seit 2022 versorgt der erste von sechs geplanten Windparks mit seinen 102 Turbinen 600.000 Haushalte mit Strom. Genehmigt wurden zudem bereits East Anglia TWO und East Anglia THREE mit jeweils 172 Windrädern. Je 900.000 Haushalte sollen sie versorgen.
Durch kabbelige See kreuzen wir entlang den Hoffnungsträgern der energetischen Zukunft. Sicher gut fürs Klima erschweren sie die Navigation. Als gäbe es nicht durch etliche Ölbohrinseln schon genug Hindernisse auf dem Weg.
Unser Zweimaster nähert sich der Straße von Dover – oder dem Pas de Calais. Egal in welcher Sprache mahnt der Name der Meeresenge den Segler zur Ehrfurcht. An ihrer engsten Stelle zwischen Cap Gris-Nez in Gallien und Folkstone in Britannien misst sie gerade einmal 19,1 Meilen – bei Niedrigwasser sind es nur 17 Meilen von den Wellenbrechern vor Dover bis zum Cap. Etwa 400 Schiffe passieren täglich diese zu den verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt gehörende Engstelle.
Im Kartenhaus planen Christoph und die Wachführer den Kurs durch die nahenden Untiefen. Ein navigatorischer Leckerbissen. Es gilt, sich vom Verkehrstrennungsgebiet an backbord fernzuhalten. Steuerbords lauern die Goodwin Sands, eine Kette von der Küste vorgelagerten Sandbänken.
Alle 15 Sekunden weiße Blitze gerade voraus. Der Kurs liegt an. Bei steifer Brise und halbem Wind genießt Heinz die Ansteuerung auf das Feuerschiff East Goodwin. Als Philip übernimmt, weisen die Lateraltonnen von SE Goodwin und S Goodwin mit ihrem roten Blitzfeuer den Weg. An Backbord ziehen die Lichter der Ozeanriesen im „Dover Strait Traffic Separation Scheme“ vorbei. Was für eine Kulisse! Dennoch keine Zeit für Segelromantik. Heinz und Maarten sind zur Backschaft eingeteilt. Eine kurze Mütze Schlaf muss reichen. Die Kreidefelsen von Dover werden nur die Jungs von Wache 2 sehen. Wir sind ja nicht auf Kaffeefahrt.
„Wo nur anfangen?“ fragt sich Maarten bei Dienstantritt um sieben Uhr in der Früh. Von Kenntnissen im Haushalt so weit entfernt wie Donald Trump vom guten Benehmen wird er zu seinem Glück wegen seiner Sturzverletzung am Arm vom Dienst befreit.
Also bleibt der Doc allein als Backschafter. „Wie alles finden?“ Im Bauch des Schiffs sind Vorräte für Wochen gestaut.
„Auf See wird frisch gekocht und ordentlich gegessen“. Der Skipper duldet keine Kompromisse. Die Einarbeitung durch den Chef höchstpersönlich steht unter dem Motto: „Zweimal erklären ist einmal zu viel.“ Christoph ist tolerant. Egal, wer das Frühstück zubereitet. Hauptsache, das Ei von seinen eigenen Hühnern ist hart gekocht. Sehr hart. Kaffee aufbrühen, Wurst und Käse aufschneiden, Tee kochen, das Vollkornbrot in 8 mm dünne Scheiben schneiden, Frieders Müsli, Jochens Nutella, Heinz‘ Orangensaft, Pauls weichgekochtes Ei, Philips Marmelade und Maartens alten Gouda auf dem großen Holztisch im Salon zu präsentieren, gerät bei gefühlt 35° Schräglage im Ärmelkanal zur Kunst. Die gute Stimmung beim gemeinsamen Frühstück entschädigt für den Aufwand.
Es ist gut gegangen. Das kochende Wasser auf dem kardanisch aufgehängten Herd blieb im Topf. Schwamm drüber. Ran an den Abwasch. Die nächste Herausforderung. Frischwasser ist limitiert. So gerät die Reinigung des Geschirrs zum Balanceakt zwischen Hygiene und Sparzwang. Auch das will gelernt sein. Endlich ist alles verräumt. Zeit, an Deck ein wenig Luft zu holen.
An Steuerbord bilden die „Seven Sisters“, die Kreidefelsen zwischen Eastbourne und Seaford an der englischen Südküste, den Hintergrund für Fotos einer glücklichen Crew. Jochen und Henning genießen im Cockpit die Fahrt unter Vollzeug. Entspannung ist angesagt. Wir sind auf Segelreise.
Entspannung macht nachlässig. „Doktor, schnell, Paul hat sich den Daumen gequetscht.“ Versorgung mit Bordmitteln, Kühlung, Verband. Paul wird seine Reise fortsetzen können. Anders sieht es bei Maarten aus. Der beim Sturz verletzte Ellenbogen hat sich entzündet. Er schwillt an. Doktor und Skipper müssen reden. Maarten mit über die Biscaya zu nehmen, erscheint riskant. Heinz berät, der Skipper entscheidet. Morgen legen wir in Roscoff an. Maarten benötigt intensive Behandlung und wird dort von Bord gehen.
Jochen springt als Backschafter ein. Er wird bei ruhiger werdender See zum Dinner eine Lammkeule servieren. Einschränkung vom Skipper: „Essensausgabe nur an Geduschte.“ Seit der Elbmündung gab es keine Gelegenheit zur ausgedehnten Körperpflege. Mit der Zeit wird dies riech- und ruchbar. Henning weist den Weg. Auf dem Achterdeck ergießt sich das salzige Wasser über seinem Kopf. Pütt für Pütt. Vorbild für den Rest der Truppe. Die Lammkeule als „Hygienebeauftragte an Bord“ wird zum Highlight des Ärmelkanals.
Ein Blick auf den Plotter zeigt uns später dessen Besonderheiten. Bei 5 Knoten Fahrt durchs Wasser ist unsere Geschwindigkeit über Grund 0. Null. Bittere Realität angesichts der lokalen Tidenströme. Die Kanalinseln Alderney, Guernsey und Jersey bleiben an backbord. Wir kommen nicht voran. Erst als die Tide kippt, ändert sich unsere Position nachhaltig. Dann schläft der Wind ein. Wir motoren durch die sternklare Nacht. Zeit für eine Runde Skat.
Roscoff empfängt uns in der Bloscon Marina mit wunderbaren Duschen. Während sich unsere Kleidung in großen Waschmaschinen vom Schweiß der Reise befreit, genießen wir den Duft von frischen Croissants und Café au lait. Warme Sonnenstrahlen laden zur Erkundung des botanischen Gartens auf der Klippe hoch über dem Yachthafen ein. Von dort oben reicht der Blick bis weit über die Bucht von Morlaix mit ihren Austernbänken. Beim Altstadtbesuch sind die Fischerboote im Hafen trockengefallen. Petanquespieler verleihen dem Fischerdorf ähnlich wie das Ambiente beim Dinner am Hafen bretonisches Flair.
Ein gutes Wetterfenster ruft zum Aufbruch. Als Wind und Welle beim Kreuzen gegen den „strammen West“ aufeinandertreffen, spritzt Gischt ins Cockpit.
Härtere Bedingungen herrschten, als am 16. März 1978 in der Nähe der Tanker Amoco Cadiz bei Windstärke 10 mit 227.000 Tonnen Rohöl an Bord manövrierunfähig bei Portsall auf die Felsküste lief. Von der gewaltigen Ölpest an der bretonischen Küste zeugt heute nur noch wenig. Der Tidenhub von oft mehr als 10 Metern sowie der Sauerstoffreichtum des durch den Golfstrom aufgewärmten Atlantik brachten im Verein mit den häufigen Stürmen die biologischen Abbauprozesse voran.
Noch im Tageslicht erkennen wir in der Ferne die Granitinsel Ouessant, auf Englisch Ushant. Nur etwa 800 Einwohner trotzen auf dem westlichsten Vorposten Frankreichs dem stürmischen Wetter. Der Phare de Creac‘h leitet uns mit seiner gewaltigen Tragweite von 32 Seemeilen sicher um die Westspitze des Eilands. Der 1863 erbaute leuchtstärkste Leuchtturm Europas wurde bereits 1888 elektrifiziert und weist seither den aus der Biscaya kommenden Schiffen den Weg in den Ärmelkanal.
Als Wache 1 in der Nacht in gebührendem Abstand nordwestlich der Insel die letzte von unzähligen Wenden fährt, liegen auf dem Weg nach Galizien 340 sm Biscaya vor uns.
Diese wird ihrem Ruf gerecht. 7 Beaufort aus Südwest drücken die 30 Tonnen schwere Yacht auf die Seite. Der Skipper hat nichts gemein mit Olaf Scholz. Ohne jegliches Zögern wird das Großsegel geborgen. Unter Klüver, Fock und Besan stampft das 18 m lange Boot nun mit 7,5 Knoten Fahrt durch die schwere See.
Im Vorschiff ist Showtime. Pausenlos müssen die Schiffsbewegungen ausgeglichen werden. Was für eine Aktion, in die obere Koje zu klettern. Das Liegen gerät zum Sport. Der Webleinstek zur Fixierung des Leesegels wird zum Lebensretter.
Der Wind dreht gegen Abend. Wir laufen mit ausgebaumtem Klüver und Bullenstander am Groß auf Kurs 215°.
Am nächsten Morgen hat Christoph, der immer ausreichend „Nationale“ als Ersatz mitführt, den Salon mit drei Flaggen geschmückt. Schließlich ist heute der
3. Oktober. In diesen startet die Crew mit einem ausgiebigen Frühstück. Halbwind und ruhige See lassen Feiertagstimmung aufkommen. Um so mehr, als bei herrlicher Sonne der Spi gesetzt ist. „Die Biscaya als Freizeitrevier“, geht es Heinz durch den Kopf, während er am Steuer lange das Vorliek des mächtigen Tuchs vor dem Einfallen bewahrt. Den Festtag wertet der Skipper mit 0.1 l Rotwein pro Kopf zum Lammbraten auf. Beim abendlichen Skat entfallen ihm die Worte: „Gesteuert hast Du heute besser als jetzt ausgeteilt.“ Der Ritterschlag?
Wir gehen in der Bucht von Cedeira vor Anker. Sie bewahrt uns vor dem Starkwind aus Südwest am Kap Finisterre an der Nordwest-Spitze Spaniens. An Galiziens Küste ist noch Sommer. Auf das morgendliche Bad im Meer folgt der Landgang. Straßencafés und kleine Bars laden zum Verweilen ein. In der beschaulichen Stadt findet Backschafter Paul alles zur Ergänzung der Vorräte. Ein Ort zum Wiederkommen und Verweilen an seinen weitläufigen Stränden.
Am nächsten Nachmittag heißt es „Anker auf“ unter Segeln. Wir kreuzen bei leichtem, drehendem Wind aus der engen Bucht heraus. Kein einfaches Unterfangen. Es braucht Geduld – aber keinen Motor. Im Vertrauen auf Schiff und Crew übernimmt der Skipper kurz vor den Felsen im Lee das Kommando. „Ruder hart Steuerbord“, „Klüver klar zum Fallen“, „Fahrt aufnehmen“, „Klüver fällt“, „Das Ruder hart Backbord“, „Heiss auf den Klüver“, „10 Grad abfallen.“ Eine Wende später sind wir auf Kurs „offene See“. „Was ist das für ein geiles Boot?“ murmelt Christoph auf dem Weg ins Kartenhaus. Recht hat er.
Die mittelalterliche Festung von Baiona thront hoch über der Einfahrt zum Monte Real Yacht Club de Yates. Bei der Ansteuerung nach einer herrlichen Nachtfahrt auf dem Atlantik erstrahlen bald die schönen Sandstrände am Fuß des Burgbergs. Ausgedehnte Steganlagen teilen die Bucht unter dem Monte Real. Antonio fängt unsere Leinen und macht fest. Der Hafenmeister hat uns einen ruhigen Platz im Außenbereich reserviert. Rund ums Clubhaus mit seiner weitläufigen Terrasse herrscht reges Treiben. Der 1965 gegründete Yachtclub trägt die Herbstmeisterschaft der J80-Klasse aus. Die weite nach Westen offene Bucht vor Baiona bietet hierzu beste Voraussetzungen. Kaum haben wir den gemeinsamen Anlegeschluck genommen, zieht es die Backschafter Paul und Jochen schon zur Proviantierung in die Altstadt. In den engen Gassen pulsiert das Leben. Geflieste Fassaden verleihen dem Ortskern besonderen Charme. Die Auslagen der Konditoreien, Metzgereien und Bäckereien laden zum Schlemmen ein. Fröhliche Gäste füllen die Terrassen der Bars und Cafés. Auch in der Nachsaison ist Baiona ein beliebter Treffpunkt. Unsere Crew feiert die Ankunft mit einem Festmahl im „El Patio“. Manuel und sein Team servieren frisch zubereitete Tapas, herrlichen Schinken, Meeresfrüchte, frischen Fisch, am Tisch gegrillte Würste und viele andere Leckereien. Der Abend klingt im ehrwürdigen Clubhaus bei einem Gläschen Alvarinho aus, dem für die Region typischen fruchtigen Weißwein.
„Klarschiff“ und Crewwechsel liegen hinter uns, als wir gen Süden aufbrechen. Feiner Nieselregen begleitet jenseits der Grenze das Einlaufen in den Hafen von Viano do Castelo. Wir machen gegenüber der Gil Eannes fest. Das ehemalige Hospitalschiff wurde bis 1973 zur Unterstützung der portugiesischen Kabeljaufischer im Nordatlantik eingesetzt.
Beim Besuch der hübschen Fußgängerzone mit ihren kleinen Lokalen, Kiosken und bunten Geschäften zeigt die Hafenstadt ihr schönstes Gesicht. Das Heiligtum der Santa Luzia lohnt einen Besuch. Die Standseilbahn zur 1959 eingeweihten Kirche auf dem Hügel hoch über der Altstadt ist außer Betrieb. Der schweißtreibende Aufstieg über nicht enden wollende Treppen wird mit einem atemberaubenden Ausblick auf die Stadt und den Atlantik belohnt. Im Restaurant Filipe Nova gerencia krönt herrlicher Bacalhau, das portugiesische Nationalgericht aus gesalzenem Kabeljau, den Ausflug.
Zwei Tagesreisen liegen noch vor uns. Zeit für kleinere Reparaturen an Deck. Philip erledigt Wartungsarbeiten. Ein echter Bootsmann. Die lange Atlantikdünung gehört fortan zur Szenerie. „Was für eine Landschaft!“ schwärmt Alex, der Neue an Bord, als der „Peter“ in klarer Vollmondnacht auf Raumwindkurs dem Ziel entgegenstrebt. Das Schiff rollt, die nächtliche einsame Weite des Ozeans nimmt gefangen. So könnte es immer weiter gehen. Dieser Traum endet vor der Mündung des Rio Tejo. Wir erreichen Cascais. In der mondänen Marina unterhalb der imposanten Festung legen wir an.
Im quirligen Touristenort vor den Toren Lissabons mischt sich der Charme alter Herrenhäuser mit modernen Touristeneinrichtungen. Die wunderbaren Strände sind auch im Oktober noch sehr gut besucht. Der Ort verdient seinen Ruf als „Badewanne von Lissabon“.
In Cascais gehen Heinz und Jochen von Bord. Nach drei Wochen gemeinsamen Segelns, Erlebens und Genießens. Der stete Wechsel der Bedingungen von Wetter, See und Landschaft hat sie angestrengt, mitunter leiden lassen, aber vor allem – fasziniert. Bei Tapas und kühlem Vino verde stimmen Sie zum Abschied überein:
„Es war keine Kaffeefahrt!“